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Naturwein - wann ist Wein nicht natürlich?

von Andrew Holloway April 01, 2022 4 min lesen.

Reife Zweigelt-Trauben am Erntetag bei Kurt Angerer.

Naturwein - wann ist Wein nicht natürlich?

Wir haben drei Menschen gefragt.

“Ein Naturwein ist ein Wein der sehr wenig Schwefel enthält. Es sollte eine Hinweis auf jeder Flasche geben oder gar eine Warnung, denn ein Wein der zu wenig Schwefel hat wird keinen Schutz vor Oxidation haben und Fehltöne entwickeln. Naturweine sind also Nichts für Anfänger die ein klares Glas Wein haben wollen. Nein.”- Peter.

“Naturweine sind Weine, die erstmal bio oder biodynamisch sind, per Hand verlesen, spontan vergoren sind und mit keinem Schwefeldioxid zugesetzt werden. Manche weisse Naturweine werden wie Rotweine gekeltert oder in Amphoren gelagert. Viele gehören zu der Gattung Orange Wine. Ein Naturwein, für diejenigen, die Zeit für sowas haben, ist oft eine Offenbarung aber nicht selten einfach strange”.- Louise.

“Naturwein ist derzeit keine offizieller Klassifikation, wobei es Vereine von Gleichgesinnten gibt, die diesen Ansatz verfolgen. Hier vergleichen wir den zulässigen Zusatz von Sulfiten in der EU mit dem der französischen vins naturels.


Sulfite in herkömmlichen Wein
Max. zugelassen Menge in der EU            in vins naturels

 


Weisswein bis 400 mg/l

40 mg/l

Rotwein bis 150 mg/l

30 mg/l

Sulfite sind in allen Weinen vorhanden. Es sind natürliche Nebenprodukte des Gärens. Ein Wein hat nach der Gärung zwischen 10 bis 20 mg/l natürliche Sulfite. Ohne ausreichenden Oxidationsschutz durch die Zugabe von Sulfiten können in Rotweinen krebserregende Acetaldehyde entstehen. Manche Menschen reagieren auf Sulfite im Wein allergisch. Auf jeder verkehrsfähige Flasche Wein, auch bei Naturwein steht:“enthält Sulfite.”” - Julius.

Ich verfolge Vin Naturel oder Naturwein seit Tag 1. Naturwein ist Kellerpraxis und setzt den Anbau von Bio-Trauben voraus. Kurz vor diesem Phänomen gab es eine Kellerpraxis, die "minimale Intervention" genannt wurde. Sie führte in jedem Fall zu coolere Weinen. Lässiger, offener und trinkbarer. Der Verzicht auf neue Eichenfässer war für mich das Ende der Übersee-Ära und alles wurde entspannter. "Unoaked Chardonnay" war das Modewort. Es sollte aber noch weiter gehen.

In Frankreich, in den Corbieres, hielt ich unverhofft in einem reizenden Weindorf und klingelte an einer Kellertür. Auf eine Schiefertafel hatte jemand vin naturel geschrieben. Aus dem Fenster hingen Blumengirlanden. Es war Nachmittag "après le dejeuner". Ich läutete. Vom Fenster aus hörte man Stöhnen und Bettgeräusche. Verlegen machte ich mich aus dem Staub und war schon fast wieder beim Auto, als sich die Kellertür öffnete und dort ein Typ stand, der rauchte. Er winkte mich in den Salon ein. Er hatte nur einen Wein. Die Etiketten waren handgemacht. Es gab keine Appellation, keine Herkunftsbezeichnung. Der Laden war ein einziges Durcheinander. Er murmelte etwas und verschwand. Ich stand da mit einem kirschroten Cinsault in einem schmutzigen Glas und hörte die Wespen aus einem Nest in der alten, morschen Rosette an der Decke summen. Eine gute Viertelstunde später kam er mit zwei Flaschen in einem Karton und verlangte 60 Francs von mir. Ich wollte weglaufen. Ich bezahlte und packte die Flaschen ein. Ein Jahr später öffnete ich eine Flasche und machte eine Salatsoße daraus. Die zweite Flasche ging bei einen Sauerbraten drauf. Bienvenue au vin naturel. Ich hatte einen Blick in ein Paralleluniversum, in dem ich, statt bemüht ehrgeizig ein Weingeschäft in Deutschland zu betreiben, irgendwo in einem Freak- Dorf im Süden in einer Freak- Existenz hängen geblieben bin und weil ich kein Geld für Fässer und ein paar Reben habe, den Wein sich selbst überlassen habe.

Es gibt auch Winzer, die ohne dies ausdrücklich als Naturwein zu bezeichnen, Weine mit der Angabe "ohne Zusatz von Schwefeldioxid" auf den Markt bringen. "LS", was "low sulphites" bedeuten kann, oder "senza aggiunta di anidride solforosa", "sin adición de dióxido de azufre". Diese Weine haben einen gewissen Schutz vor Oxidation durch SO2, das bei der Gärung natürlich entsteht. Aber nur ein gewissen. Man muss Oxidation in Kauf nehmen. Es ist eine Kulturfrage, wie ob man Unterwäsche trägt oder sich rasiert.

Ich kann sehr gut verstehen, warum manche Winzer die Bezeichnung Naturwein meiden. Würden sie damit nicht zugeben, daß alle ihre bisherigen Weine irgendwie unnatürlich waren? Das Gleiche gilt für Winzer, die der Bio-Bewegung nicht trauen. War all die Sorgfalt und Verantwortung im Weinberg über Generationen hinweg irgendwie ungültig? Heute, im Frühling 2022 gibt es eine Vielzahl von Konzepten, durch die wir als Händler und Weinliebhaber navigieren müssen. Sicherlich wird dies nicht das letzte Mal sein, daß wir uns mit diesem Thema beschäftigen.

Wein ohne Zugabe von Schwefeldioxid. Hier ist eine kleine kulinarische Auswahl:

Wenn ich kulinarisch schreibe, meine ich daß der Wein sehr gut zum Essen passt. Es hört sich bescheuert an, nicht? “Passt gut zum Essen.” Was für’n Quatsch. Damit meine ich aber folgendes. Wenn man diesen Wein verkostet, kann man sich sofort vorstellen, womit man es geniessen will. Stockfisch mit Schwarzkohl und viel Butter. Kulinarisch!

Spirito Libero Maremma Toscana DOC Bio, Tenuta Casteani

Sangiovese aus der Toskanische Küstenregion. Ich stelle mir einen Bohnengericht mit Wildschweinbauch hierzu vor. Ja. Genau. Ich unterbreche diesen Beitrag an Ort und Stelle, und weil ich weder Jäger bin noch habe ich ein Revier, gehe ich zum Markt.

Riesling Schwäbischer Landwein Bio, Weingut roterfaden

Exotischer Weisswein sondergleichen. Wenn Wein wieder Transzendenz nicht nur verspricht, sondern liefert, bin ich dabei. Pangalaktisch. Dazu Lachs auf Zedernholz.

Puszta Libre Bio Wein aus Österreich, Claus Preisinger

Kein Winzer hat mehr dazu beigetragen, unsere Einstellung zum Naturwein zu überdenken. Wer sich aus dem Labyrinth führen mag, nehme Puszta Libre in die Hand. Auf mein Pizza bitte Artischoken links, Sardellen rechts.